Fallbeispiel: Elementa Linguae Arabicae - Lakemacher
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- Fallbeispiel: Elementa Linguae Arabicae
Zwei Exemplare von Lakemachers Elementa Linguae Arabicae (1718)
Welche Wege haben Bücher genommen, nachdem sie verkauft wurden, die Besitzer wechselten und Lakemachers Bibliothek verließen? Bücherbiographien (Objektbiographien) ergänzen die Kollektivbiographie der Käufer und Auktionsverantwortlichen, die grundsätzlich Lakemacher impliziert. Methodisch wird die prosopographische Perspektive damit auf das Medium Buch übertragen. Eine aufschlussreiche Buchbiographie sei an zwei Exemplaren ein und desselben Titels mit explizitem Lakemacherbezug demonstriert. Es handelt sich um das philologische Grundlagenwerk des Orientalistikprofessors, eine arabische Grammatik, die Elementa Linguae Arabicae von 1718.[1] Den Weg der zwei Exemplare veranschaulicht folgende Grafik:
Zum ersten Exemplar: Es befindet sich heute in der Klosterbibliothek Loccum (Signatur: Misc 503) und enthält keine Lakemacher-Signatur. Aber wir wissen, dass der Theologe und Pfarrer Ernst Ludwig Rathlef (1712-1768) das Buch bei der Aktion für 1 ¾ Taler kaufte. Das steht nicht nur im Auktionskatalog, sondern wurde auch von Rathleff selbst auf der Vorder- und Rückseite des Vorsatzblattes vermerkt:
Zudem wissen wir, wohin der Band nach Rathleff ging, nämlich an den Theologen Heinrich Philipp Sextro (1746-1838), der es seinerseits dem Predigerseminar Hannover bzw. dessen Außenstelle in Hildesheim vermachte. Von dort kam es erst vor wenigen Jahren in die Klosterbibliothek Loccum.
Die gezeigten Eintragungen von Rathleff und im Auktionskatalog sind allerdings noch in anderer Hinsicht aufschlussreich, denn sie benennen den Band explizit als Handexemplar Lakemachers, dass er in seinen „praelectionibus arabicis“, also seinen Arabischvorlesungen, benutzt habe. Als solches arbeitete er kontinuierlich mit dem Exemplar und annotierte es ausgiebig. Wir haben die Annotationen noch nicht in toto analysiert, können aber eine kleine Blütenlese geben, die ihren groben Charakter deutlich werden lassen und einen Einblick in Lakemachers „Werkstatt“ bzw. seine Wissenspraktiken bieten. Direkt zu Beginn notierte er sich etwa zu dem von ihm erläuterten arabischen Alphabet, wie der englische Orientalist Edward Pococke (1604-1691) bestimmte Buchstaben transliteriert hatte, wobei sich gewisse Unterschiede aus der Aussprache der Buchstaben im Englischen ergaben:
An anderen Stellen verglich Lakemacher offenbar verschiedene Koranmanuskripte, unter anderem, wie er auf der folgenden Abbildung in der oberen Anmerkung rechts schreibt, auch eines in der Bibliotheca Julia mit seinen Ausführungen. Desweiteren finden sich Streichungen und Verbesserungen im Text (links im Bild). Die zeigen, dass unser Protagonist sich weiterhin intensiv mit seinem Werk auseinandersetzte.
Als drittes und letztes Beispiel hier noch ein längerer handschriftlicher Exkurs zu arabischen Bibelübersetzungen, den Lakemacher zu Beginn der von ihm ausgewählten arabischen Lesestücke ergänzte. Bei diesen handelte es sich um zwei Bibelkapitel und ein Korankapitel, wobei er die Auswahl des letzteren mit der Vielfalt des Inhalts begründet, wegen der es nicht ohne Genuss zu lesen sei ("ob materiarum, quas tractat, varietatem […] non sine jucunditate legitur").
Zum zweiten Exemplar: Es befindet sich heute in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Signatur: H: P 254a.4° Helmst.) verdeutlicht weniger die wissenspraktischen Zwecke eines Buches und weist keine Lakemacher-Gebrauchsspuren auf. Es diente vielmehr als Geschenk in Patronagenetzwerken, wie dies unter Gelehrten durchaus üblich war. Im vorderen Einbanddeckel hat Hermann von der Hardt (1660-1746), Lehrer und Förderer Lakemachers, ein auf den 13. Dezember 1718 datiertes Schreiben an den Wolfenbütteler Kanzler Urban Dietrich von Lüdecke (1655-1729) notiert.
Von der Hardt bringt Lakemacher, den er als einen seiner Hörer Lüdecken empfiehlt, perspektivisch für eine ordentliche Professur in den orientalischen Sprachen in Stellung: "Tibi, illustrissime Domine, devotissimo pectore commendo ex auditoribus meis, ad linguarum professionem publicam decenter exercendam aptum [...] Lakemacherum, Osterwicensem[...]." Da gerade keine ordentliche Professur frei ist, schlägt Hardt vor, für Lakemacher eine außerodentliche Arabischprofessur einzurichten: „Tuoque eminentissimo arbitrio comitto, num extraordinaria Arabicae linguae Professio huic ad docendum composito homini, in Academiae incrementum, novo quidem exemplo, sed et novo usus, sit demarcanda.“ Interessant ist, dass von der Hardt Lakemacher offenbar als seinen Nachfolger und akademischen Erben in Stellung bringen wollte, da er sein Lebensende nahen sah („vitae fini proximus“, so bezeichnet er sich selbst im letzten Satz). Er war damals immerhin schon Ende 50. Ironisch an dem ganzen ist, dass von der Hardt Lakemacher, wiewohl der später einer seiner Nachfolger wird, überleben wird: um ganze 10 Jahre! Eine enge Verbindung zwischen beiden kommt in dem Brief auf jeden Fall zum Ausdruck. Sie erklärt, warum Hermann von der Hardt so prominent in der Praefatio des Auktionskatalogs genannt wird.
Anmerkungen
[1] Nebenbei sei bemerkt, dass das Buch auch drucktechnisch eine durchaus anzuerkennende Leistung des Helmstedter Universitätsdruckes Hermann Daniel Hamm darstellte. So schreibt Ute Marie Etzold darüber: "Die zarte, kleinformatige 'Petit' Ciceroschrift ist bewundernswert klar gedruckt, war sicher für den Formenstecher wie für den Drucker eine Herausforderung." (Ute Maria Etzold: Helmstedt im Druck. Universitätsbuchdrucker und Universitätsbuchbinder, in: Das Athen der Welfen. Die Reformuniversität Helmstedt 1576-1810, hg. von Jens Bruning und Ulrike Gleixner, Wolfenbüttel 2010, S. 276-283, hier S. 278.)