Bärenbibel - Die Bibliothek von Karl Wolfskehl
Bärenbibel
Die Bibliothek Karl Wolfskehls beinhaltete eine Vielzahl liturgischer Schriften, Gebetbücher und Liedersammlungen, aber auch eine Auswahl seltener Bibel-Ausgaben. So besaß der Dichter unter anderem eine sogenannte Korrekturbibel Johannes Ecks aus dem Jahr 1537 sowie eine Biblia da Scuol, bei der es sich um eine 1679 im Engadin gedruckte, und damit erste rätoromanische Bibelgesamtausgabe handelt. Zu den Exemplaren in seinem Besitz, die Wolfskehl besonders schätzte und die er häufig in Gesprächen oder Briefen mit bibliophilen Freunden hervorhob, zählten zwei Ausgaben der spanischen Bibelübersetzung La Biblia que es, los sacros libros del Vieio y Nuevo Testamento. Aufgrund des auf der Titelseite abgebildeten Signets des Druckers Matthias Apiarius (ca. 1500–1554), welches einen Bären an einem Bienenstock zeigt, erhielt die Bibel den Beinamen »Biblia del Oso« (Bärenbibel). Urheber dieser Übersetzung des Alten und Neuen Testaments war der spanische Mönch Casiodoro de Reina (1525–1594), der als Anhänger der Reformation in Spanien verfolgt in die Schweiz floh, wo er 1569 in Basel die spanische Bibelübersetzung drucken ließ. Im Jahr 1602 erschien eine zweite Auflage in Amsterdam. Wolfskehl besaß ein Basler- sowie ein Amsterdamer Exemplar. Über die Besonderheit dieser Ausgaben – und die Frage, weshalb sie sich gerade deshalb so gut in die Sammlung Wolfskehl fügten – schrieb der Dichter 1922 an Otto Deneke: »[…] zu meinen schönen spanischen Bibelübersetzungen der basler Bärenbibel v[on] 1569 diesem Kampfbuch der spanischen Kämpfer um geist[ige] Freiheit der späteren deren eine mit Autordedikation an die Staaten von Seeland – ach. Und so vielem was gar nicht in eine wohl geordnete Litteraturbibliothek [sic] aber so vortrefflich zu mir passt […].«
Da die Ausgabe von 1602 das Bärensignet nicht mehr aufwies, bezeichnete Wolfskehl dieses Exemplar als »Zeelandbibel«. In den handschriftlichen Aufzeichnungen zu dem Katalog seiner Bibliothek notierte Wolfskehl zu der Ausgabe von 1602: »Ein kostbares Stück. Dies Ex[emplar] des i[n] d[ie] Niederlande geflüchteten span[ischen] Protestanten ist seine eigen[händige] Reverenzangabe an die Behörden von Zeeland«, zudem sei die Ausgabe »prachtvoll« und »breitrandig« und enthalte die Autorenwidmung »vir[o]s Provincie Hollandica«, sowie ein Superexlibris auf dem Vordeckel, auf welchem Middelburg, die Hauptstadt der Provinz Zeeland abgebildet ist. Unerwähnt bleibt das ebenfalls darin befindliche Exlibris von einem »Dr. A. M. Ledeboer«, was sich dadurch erklären lässt, dass Wolfskehl beim Verfasser der Notizen im italienischen Exil allein auf sein Gedächtnis angewiesen war. Auch zur Ausgabe von 1569 bemerkt Wolfskehl in einem handschriftlichen Vermerk, dass es sich bei dieser Ausgabe um eine Dublette der Königlichen Landesbibliothek Stuttgart handele, und diese »Abhandlungen über Herkunft u[nd] Art d[er] Bibel, Auschnitte aus engl[ischen] Zeitschriften […], sämtliche von einem Vorbesitzer verfasst.« enthält. Wie entsprechende Stempel zeigen, handelt es sich auch bei der Ausgabe von 1602 um eine Dublette aus Stuttgart. Beide Exemplare befinden sich, inklusive der Einlagen, heute in der Schocken Bibliothek Jerusalem.
Text: Julia Schneidawind
La Biblia, que es, los sacros libros del Vieio y Nueuo Testamento / Trasladada en Español (1569 und 1602).
Aufbewahrungsort: Jerusalem – Schocken Institute for Jewish Research; Bibliothek K.W., Nr. 67901
Fotos: Caroline Jessen