Benjamin Hirsch Auerbach: Festpredigten nebst archäologischen Bemerkungen

Die Familie von Karl Wolfskehl war nicht mehr sehr gebunden an jüdische Tradition, soweit dies die Beachtung religiöser Vorschriften und die Einpassung des eigenen Lebens in den Rhythmus des jüdischen Kalenders betraf. Jenseits der immer wieder von Wolfskehl erzählten Geschichte seiner Abstammung von einer italienischen Leviten-Familie bleibt das Jüdische als gelebter Alltag in seinen Briefen und Arbeiten vage. Wolfskehls Anhänglichkeit an die eigene Familiengeschichte zeigt sich aber in den Büchern, die er – ob aus Pietät oder als Erinnerungszeichen an seine Herkunft – aus der Bibliothek seines Vaters übernahm. Einige der Bände hatte dieser wiederum von seinen Eltern und Großeltern übernommen, so vielleicht die Festpredigten nebst archäologischen Bemerkungen von Benjamin Hirsch Auerbach.

Ein dunkelgrünes Etikett im grasgrünen Innern des Bands vermerkt in Gold geprägt: »Zur Vermählungs-Feier des Herrn Carl Wolfskehl in Darmstadt achtungsvoll dargebracht vom Verfasser«. Die Wolfskehls zählten zu den angesehenen Familien der jüdischen Gemeinde Darmstadts. Am Ende des Buchs findet sich ein Kommentar Karl Wolfskehls: »H. Auerbach war Rabbiner in Darmstadt und traute meine Großeltern Carl und Hanna Wolfskehl den 3.X.1839 Karl Wolfskehl«. Aus Johanna Kaulla, einer Nachfahrin der Württembergischen Hoffaktorin Karoline/Chaille Kaulla, die 1839 den späteren Bankier Joseph Carl Theodor Wolfskehl heiratete, machte Wolfskehl eine Hanna – und verband so, rückwärts, seine eigene, nicht-jüdische Frau Hanna (geb. de Haan) mit der jüdischen Familie. Zugleich beendete er durch diese Heirat aber die genealogische Kette, die seine Notiz im Buch bekräftigte. Dies macht den Band zum Zeugnis einer Zugehörigkeit, die Wolfskehl aus der gelebten Wirklichkeit in eine Bilderwelt überführte: Die Metapher musste verbinden, was sich auf anderem Weg nicht mehr verbinden ließ.

Text: Caroline Jessen

Benjamin] H.[irsch] Auerbach: Festpredigten nebst archäologischen Bemerkungen. Marburg: Elwert 1834. 

Aufbewahrungsort: Jerusalem – Schocken Institute for Jewish Research; Bibliothek K.W., Nr. 6098,

Foto: Yigal Pardo