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Die verkauften und gekauften Bücher
Wenn man sich für die Käufer von Büchern aus einer Bibliotheksauflösung interessiert, wird man sich auch mit den Titeln und dem Sammlungszusammenhang beschäftigen, in dem die Bücher standen. Zudem wird man den Kontext zur Kenntnis nehmen, in dem sich eine Bibliothek auflöst und gewinnorientiert oder mit nicht-kommerzieller Intention veräußert wird. In der Frühen Neuzeit standen, wie im Fall des Lakemacherschen Bibliotheksverkaufs, Auktionen auf der Tagesordnung, bei denen Bibliotheken zumeist verstorbener Besitzer einer bietenden Kundschaft angeboten wurden.[1]
So, wie die finanzielle Situation von soloherrschaftlichen und landesherrlichen Bibliotheken in der Frühen Neuzeit variierte (weil die Interessen, Zielsetzungen und Erwerbs-, Unterhaltungsmöglichkeiten der Landesherren, Landesregentinnen, Landesregierungen unterschiedlich waren), so waren auch die Bibliotheken gemeiner Privatpersonen unterschiedlich ausgestattet. Grundsätzlich erweiterten sich zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert für letztere die Möglichkeiten, eigene Bibliotheken aufzubauen. Was den Universitätskosmos in Helmstedt anbetrifft, so verfolgten die dortigen Professoren für ihre privaten Sammlungen traditionellerweise das Konzept der Universalbibliothek mit individuellen fachlichen Schwerpunkten. Zu bedenken ist, dass die Professoren den größten Teil ihrer Forschungsliteratur selbst anschaffen mussten, weil der von der Landesregierung bewilligte Erwerbungsetat nicht ausreichte. Das bedeutete für die Akademiker i.d.R. einen beträchtlichen finanziellen Aufwand. Die zentrale Universitätsbibliothek sollte die zugewiesenen Landesmittel auf die Anschaffung teurer Werke beschränken, die sich die Privatpersonen nicht leisten konnten. Die starke Präsenz von Bücherauktionen in Helmstedt zeigt, wie sehr die Literaturversorgung vom privaten Buchbesitz der Professoren abhing. Aussagen Beteiligter lassen darauf schließen, dass die Professoren sich beim Bieten abzustimmen verstanden. Der Universitätsbibliothekar Christoph Schrader vermerkt, er habe auf einer zweiwöchigen Auktion einige Bände günstig für die öffentliche Bibliothek der Universität erworben.[2]
Aus Auktionskatalogen geht hervor, dass die Professorenbibliotheken einen Umfang von ca. 4.000 bis zu 18.000 Bänden hatten und dass ferner viele Professoren häufig bis kurz vor ihrem Tod Fachliteratur kauften. Was die Buchpreise im 17. und frühen 18. Jahrhundert anbetrifft, so wissen wir dank Werner Arnolds Forschungen, dass in Rechnungen genannte Preise generell oft normiert scheinen. Preissteigernd wirkten – wie anzunehmen und plausibel – eine gute Ausstattung und Seltenheit von Werken. Lakemachers Bücher wurden in der Währung veranschlagt und verkauft, die auch für die Wolfenbütteler Kanzlei die maßgebliche Rechnungswährung der Zeit darstellte: Reichstaler (Rt.), ‚gute‘ Groschen (ggr.) und Pfennige (Pf/Pfg bzw. Symbol ₰).[3]
Historische Auktionskataloge ziehen alte Bibliotheken in den vergegenwärtigenden Blick; die physische Existenz der Bibliotheken liegt zum Teil weit zurück und ihre Integrität ist oft nicht mehr gegeben. Die Verzeichnisse lassen Sammlungsprofile erkennbar werden, auf deren Grundlage sich begründet über Lese- und Forschungsinteressen, Arbeitsweisen und mögliche Netzwerke der ehemaligen Bibliotheksbesitzer mußmaßen lässt. Darüber hinaus können dank alter Verkaufslisten ehemalige Preisroutinen für das Objekt Buch rekonstruiert werden. So darf man Auktionskataloge vielleicht zu den Instrumenten einer Unternehmung zählen, die Wolfgang Adam „Biblio-Archäologie“ nennt: sich durch das Geschicht buchbiographischer Lebensphasen und Gebrauchssituationen graben und in buchgeschichtliche Vorzeitigkeiten dringen. Ziel einer solchen Archäologie ist die Erschließung der buch- und bibliotheksgeschichtlichen Überlieferung in kulturellen, nationalen und sprachlichen, gesellschaftlichen wie individuellen Räumen und Horizonten. Die Biblio-Archäologie trägt entscheidend dazu bei, die bedeutsame Facette des Bücherkosmos einer Gesellschaft für deren kulturelles Gedächtnis, Wissenshaushalt und ihre Kulturlandschaft zu bewahren.[4] Jedoch ist bei der Beurteilung von Bücherverzeichnissen und Katalogen quellenkritische Vorsicht geboten, denn die formalisierten Sachtexte registrieren Momentaufnahmen von Bibliotheken. Sie dokumentieren zwar den in einem bestimmten Augenblick vorliegenden Aggregatzustand einer Büchersammlung – und ebenso ihre warenpreisliche Taxierung, sie geben aber kaum Aufschluss über die dynamische Karriere der betreffenden Sammlung und ebenso wenig der einzelnen Bücher, die sie enthält.
Übrigens besitzt die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel mehr als 1.700 gedruckte Buchauktionskataloge, deren Erscheinungsdaten vom letzten Viertel des 16. Jahrhunderts bis in die Gegenwart reichen, darunter zahlreiche Unika. Für das 16. Jahrhundert lassen sich zwei Exemplare veranschlagen, für das 17. Jahrhundert 491, für das 18. Jahrhundert 543, für das 19. Jahrhundert 619 und für das 20./21. Jahrhundert immerhin 62 Stücke.
Das Verzeichnis der Bibliothek Lakemachers, in Formatgruppen geordnet und durchnummeriert, beginnt mit der nicht extra überschriebenen Abteilung der für den Professor wichtigsten Bücher zur Orientalistik: römische, griechische und jüdische Geschichtsschreiber, Philosophen und Erzähler der Antike mit zum Teil mehrsprachigen Werkausgaben (Eusebius, Herodot, Polybius, Homer, Platon, Flavius Josephus, Isidor), humanistische Gelehrte, Theologen und Hebraisten (Scaliger, Reuchlin, Spencer) und weitere Werke, darunter Lexika und Grammatiken, mit Bezug zu orientalischen Themen. Dazu kommt eine Vielzahl an Dissertationen (mehrere hundert, wenn nicht tausend Stück), die zu Sammelbänden gebunden sind und die Mehrzahl der Losnummern stellen. Auch diese Abteilung ist durch keine explizite Überschrift thematisch ausgewiesen, das inhaltliche Spektrum ist heterogen aber entsprechend Lakemachers Profession perspektiviert. Es schließen sich die Folgeabteilungen der libri Rabbinici und Bücher zum jüdischen Altertum an, viele davon in Hebräisch, sowie weitere Antiquitäten und Rara. Nicht-deutsche Titel sind in Antiqua, deutsche Bücher in einer gebrochenen Schrift gesetzt.
Die wichtigsten Auktionsbeteiligten und Käufer
An der Auktion nahmen nachweislich 70 Käufer, vielleicht aber noch mehr Interessenten teil. Die Käuferschaft lässt sich grob in drei Gruppen einteilen: Professoren und Studenten der Academia Julia in Helmstedt sowie Angehörige sonstiger Berufsgruppen, darunter Geistliche, Amtleute und Buchhändler, aus dem engeren und weiteren Umfeld der welfischen Landesuniversität. Eine Übersicht, wie viele Bücher und für welche Geldsummen die Angehörigen dieser Kategorien bei der Auktion kauften, bietet die Grafik unten:
Unter den teilnehmenden Professoren befanden sich vier akademische Kollegen,[5] so der bereits erwähnte Hermann von der Hardt, der im Vorwort des Katalogs als „Herr Magister“ ausgewiesen ist. H. von der Hardt kaufte 134 Titel, möglicherweise aus fachlichem Interesse, vielleicht aber auch, weil ihn die persönliche Nähe zum Verstorbenen dazu motivierte und er dessen Familie durch den Kauf unterstützen konnte. Die anderen drei Professoren sind die Herren Johann Lorenz von Mosheim (Abt der Klöster Mariental und Michelstein sowie Professor für Kirchengeschichte), Christian Breithaupt (Professur für Logik und Metaphysik) und Johann Nicolaus Frobese (ao. Professor an der Philosophischen Fakultät), die ebenfalls explizit als Ansprechpartner für potentielle Auktionsteilnehmer und Interessenten genannt werden und folglich als Patrone für die Veranstaltung verantwortlich zeichneten. Schließlich wird im Zusammenhang mit den vier akademischen Kollegen noch der in der welfischen Universitätsstadt ansässige Buchhändler und Verleger Christian Friedrich Weygand genannt, für den sich der Geschäftsbetrieb von 1722 bis 1764 nachweisen lässt. In dieser Fünferriege erwirbt Weygand die meisten Bücher, nämlich 190 Titel. Die hohe Zahl dürfte mit seinem Beruf im Zusammenhang stehen.
Abbildung oben: Doppelseite aus dem Auktionskatalog zu Lakemachers Bibliothek mit den Käufernamen und erzielten Preisen rechts, den Buchtiteln links
Anmerkungen:
[1] Mit einer medienhistorischen Aufmerksamkeit für durchschossene Auktionskataloge und Protokolle als hybride Werke untersucht Elizabeth Harding die Auktionspraxis als wichtigen Teil der Sammlungs-, Wirtschafts- und Wissensgeschichte in der Frühneuzeit. Ihre die Kulturgeschichte des Objekthandels (Bücher/Dinge erwerben, sammeln, verkaufen) fokussierende Studie nimmt die Wandlungsprozesse im Kontext eines sich zunehmend kommerzialisierenden Marktes in den Blick. In diesem Zusammenhang kann sie das Verhältnis von Präsenz- und Stellvertreterkultur bei Auktionen genauer beurteilen und exemplarisch vorführen, wie Auktionskataloge und Protokolle als spezifische Textsorte personelle Konstellationen und Netzwerke im Kontext des kommerziellen Aktes hervorzuheben vermögen. Vgl. Elizabeth Harding: Auktionsprotokolle und -kataloge: Zugänge zur Verschränkung von Kommerz, Sammeln und Verzeichnen bei Bücherauktionen, in: Unbezahlbar? Vormoderne Sammlungsökonomie, hg. von Joëlle Weis und Caren Reimann, Göttingen 2024, S. 177–201 [auch online].
[2] Vgl. Hartmut Beyer: Evaluationen in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, Bd. 10 (2016), S. 75–92, hier S.83–85.
[3] Vgl. Werner Arnold: Zur Finanzierung von Bibliotheken in der Frühen Neuzeit, in: Das historische Erbe in der Region. Festschrift für Detlev Hellfaier, hg. v. Axel Halle, Harald Pilzer, Julia Hiller von Gaertringen u. Joachim Eberhardt, Bielefeld 2013, S. 23–31, hier S. 23 u. 27–29).
[4] Wolfgang Adam: Laudatio für Klaus Garber. Hamburg 2004, S. 17–32. Vgl. zudem Laura Cruz: The Paradox of Prosperity. The Leiden Booksellers’ Guild and the Distribution of Books in Early Modern Europe,
New Castle (Delaware) 2008, S. 105–107; Hans Dieter Gebauer: Bücherauktionen in Deutschland im 17. Jahrhundert, Bonn 1981; Die europäischen Privatbibliotheken und Buchauktionen. Ein Verzeichnis ihrer Kataloge, einschließlich der von Buchhändlern und Kunstauktionen, Bd. 8: 1733–1737, bearb. v. Gerhard Loh, Leipzig 2018.
[5] Zu den Professoren der Universität Helmstedt vgl. den Professorenkatalog der Universität Helmstedt; Sabine Ahrens: Die Lehrkräfte der Universität Helmstedt (1576–1810). Helmstedt 2004; Herbert Mundhenke: Die Matrikel der Universität Helmstedt, Bd. 3: 1685–1810, Hildesheim 1979; Wilhelm Schrader: Helmstedts Professorenhäuser, in: Helmstedter Allgemeine Zeitung (= Kreisblatt, jeweils in der Sonnabend-Ausgabe v. 19.11. 1952 bis 31.12. 1954); Anordnung, dass von ab- und zuziehenden Professoren und Promovierten der Universität Helmstedt, auch von deren Auktionen, künftig der Universitätsbibliothek je ein Buch abzugeben sei, Datierung: 1731–1787, NLA WO 2Alt, Nr. 16258; alte Archivsignatur: 2 Alt Fb. 12, Nr. 905.