Brief an Otto Deneke - Die Bibliothek von Karl Wolfskehl
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Brief an Otto Deneke, Kiechlinsbergen, 23. August 1922
Der Briefwechsel zwischen Karl Wolfskehl und dem Göttinger Rechtsanwalt, Kulturhistoriker und Sammler Otto Deneke setzte 1922 ein und dauerte mindestens neun Jahre an (vgl. Saltzwedel 2020, S. 59–77). Für die Erforschung von Wolfskehls Bibliothek sowie seinem Sammelverständnis sind die Briefe von konstitutiver Bedeutung. Das gilt insbesondere für die frühe Phase der Korrespondenz im Sommer und Herbst 1922.
Verfasst in Kiechlinsbergen beschreibt Wolfskehl in Briefen wie dem hier abgebildeten detailreich die Bestände vor Ort, reflektiert das eigene, als a-systematisch verstandene Sammelverhalten und die Liebe zum Überlieferten. Gleich einem epistolaren Gang ans Regal gibt Wolfskehl Deneke Einblick in Raritäten, die zwar nicht im Rahmen einer breiteren Öffentlichkeit, wohl aber im intimen Modus des Briefes, von »Gleichgesinnten zu Gleichgesinnten« kommuniziert werden können. Das Spektrum des Beschriebenen reicht dabei weit: Von Wolfkehls Sammlung seiner Nibelungenausgaben und den Originaldrucken des 16. Jahrhunderts über das Spezialgebiet der beiden; die deutsche Barockliteratur. Aus dieser Abteilung nennt Wolfskehl unter anderem wertvolle Opitz-Bände sowie eine »fast unauffindbare Ausgabe des Simplizissimus«.
In Hinblick auf eine literaturwissenschaftliche Provenienzforschung interessant ist zudem, dass Wolfskehl die Objektbiografien seiner Bücher durchaus mitreflektiert, ja dass die Frage nach illustren Vorbesitzer:innen den Sammelwert einzelner Bände entscheidend mitbestimmt. So etwa im Falle eines Exemplars von Paul Flemings Poëmata, »das vorher dem Germanisten Roth und nach diesem dem Wörterbuchs-Karl Weigand« gehört hat.
In Otto Deneke fand Wolfskehl einen bibliophilen Gleichgesinnten; einen »Compassionierten«, dem er nur zu gern die Bibliothek in Kiechlinsbergen gezeigt hätte. Dass der Göttinger den materiellen und immateriellen, überlieferungsgeschichtlichen Wert der Bücher durchaus einzuschätzen wusste, davon zeugen neben seinen expliziten Antworten auch die nonverbalen Erregungsspuren – rote Unterstreichungen einzelner Exemplare – die er in Wolfkehls Briefen hinterließ.
Text: Sarah Gaber
Brief von Karl Wolfskehl an Otto Deneke, Kiechlinsbergen, 23. August 1922.
Aufbewahrungsort: Marbach, DLA; Nachlass K. Wolfskehl, Zugangsnummer 57.5766
Foto: DLA Marbach, Jens Tremmel