Leo Bensemann: Fantastica. Thirteen drawings

Es ist bemerkenswert, welche Faszination Wolfskehl bis an sein Lebensende auch im Exil bei meist viel jüngeren und jungen Menschen erweckte. Während der Jahre in Neuseeland stand Wolfskehl – gegen den Eindruck, den seine Briefe erwecken – immer in einem ihn und andere bereichernden Bezug mit seiner Umwelt. Das galt besonders für die Jahre 1941 bis 1943, als Wolfskehl in engeren Kontakt zu führenden Vertretern des literarischen Lebens in Neuseeland und besonders in Auckland kam. Als er im Januar und Februar 1941 auf seiner einzigen längeren Reise Freunde auf der Südinsel besuchte, traf er dort mit einer Reihe von Gelehrten und Autoren zusammen. Die Freunde in Christchurch, Otti und der Romanist Paul Binswanger, Flüchtlinge wie er aus Europa, die er bereits seit den 20er Jahren kannte, führten ihn in den Kreis der Autoren um die Caxton Press ein, einen Kleinverlag, in dem damals die junge Avantgarde einer um Eigenständigkeit bemühten neuseeländischen Literatur ihren Mittelpunkt hatte. Es wurde für Wolfskehl ein höchst anregendes Erlebnis, wie er Ernst Gundolf am 15. April 1941 nach London berichtete: »[ich kam] in einen Kreis jüngerer Literatur- und Kunstbeflissener […], die, um ein eigenes Verlagshaus gruppiert, ernstliche und glückliche Versuche zu einer eigentümlichen und gar selbsteigenen Gestaltung machen und dabei persönlich sehr anziehend sind und sehr aufgeschlossen. Mit manchen konnt ich ein wirklich gutes Gespräch haben lebendigen Austauschs. Auch ein Büchersammler, ein echter wahrhafter Bibliophile und Kenner, befindet sich in Christchurch«.

Die Drucke der Caxton Press gefielen Wolfskehl so sehr, dass er sich sogar deren Specimen Book of Printing Types erbat. Der Band wird heute im DLA Marbach bewahrt. Der erwähnte Bibliophile war der Rechtsanwalt Allan C. Brassington, der Wolfskehl mit einem besonderen Rezept zu einem Schutzmittel für wertvolle Ledereinbände und wenig später mit dem bibliophilen Druck eigener Sonette beschenkte. Die Caxton Press wurde geprägt durch den Drucker und Dichter Denis Glover und seinen damaligen Geschäftspartner, den Maler und Graphiker Leo Bensemann, dessen Illustrationsbuch Fantastica (1937) Wolfskehl so begeisterte, dass er ein Exemplar erwarb und dem Künstler mit dem Gedicht Dem Bildner der ‚Fantastica‘ dankte. Glover schickte nach Wolfskehls Rückkehr nach Auckland einige Neuerscheinungen der Caxton Press und besuchte Wolfskehl, wenn immer er nach Auckland kam. Als Verleger von Frank Sargeson, dessen Erzählungen Wolfskehl schätzte, vermittelte Glover damals den persönlichen Kontakt zu dem Aucklander Autor, der sich rasch freundschaftlich gestaltete und gleichsam zum Entre Billet in die literarische Szene der Stadt wurde. Bei einem seiner ersten Besuche schenkte Sargeson dem zunächst noch respektvoll als Dr. Wolfskehl angesprochenen seinen neuen Erzählband A man and his wife doch wechselten beide schon wenig später zum vertrauteren Frank und Karl.

Bücher und Gespräche über Bücher blieben – neben dem eigenen Dichten – für Wolfskehl auch im neuseeländischen Exil existentielles Element. Seine Persönlichkeit, sein überreiches Wissen und der Drang sich und dieses mitzuteilen erwarben ihm auch in der ganz anderen kulturellen Umgebung respektvolle Anerkennung und Achtung bei denen, die mit ihm in Kontakt kamen und sich ihm aufschlossen. Auch wenn er für die meist wesentlichen Jüngeren, denen er in Neuseeland näher kam und deren literarische und künstlerische Bestrebungen er ermutigte, einer anderen Generation und Zeit angehörte, war die Begegnung mit ihm für einige eine einzigartige und prägende geistige Erfahrung. In ihm erlebte man den Repräsentanten einer reichen, wenngleich vergangenen europäischen literarischen und künstlerischen Epoche, die von der eigenen nüchternen Nachkriegswirklichkeit abstach.

Text: Friedrich Voit

Leo Bensemann: Fantastica. Thirteen drawings. The Caxton Press: Christchurch, NZ 1937.

Aufbewahrungsort: DLA Marbach, Nachlass Paul Hoffmann, G:Hoffmann (Teilbibliothek des Germanisten)

Katalogeintrag DLA-OPAC

Foto: DLA Marbach, Jens Tremmel