Startseite der Webpräsentation von Paola Bonetto Ferrari zu Digital Makerspaces als pluriversale Räume.
Was ist ein Digital Makerspace? Diese Leitfrage ist zugleich das Programm. Und die Antwort wird sich aus dem Space selbst ergeben. So könnte man vielleicht die Konzeptlinie zusammenfassen, die sich aus dem Vortrag von Paola Ferrari am 25. Januar herauskristallisierte. Das wirkt in gewisser Weise radikal selbstreferentiell, aber zugleich auch nicht, denn aus Frage und Programm ergibt sich eine Perspektive, die mehr aufzeigt als die Spur der eigenen Beschreibung.
Die Bausteine sind: Kulturerbe und Kulturerbeinstitutionen (hier: die Herzogin Anna Amalia Bibliothek) einerseits, digitale Verfahren, Tools und Praxen anderseits. Und natürlich die Menschen, die mit beidem etwas machen. Das “Making” in Makerspace bezeichnet die aktive, digital geprägte Auseinandersetzung mit Kulturerbe. Der Space ist der Möglichkeitsraum dafür. Oder eben ein gestaltbarer Raum. Und dieser ist, zumindest in der Digital-Makerspace-Theorie von Paola Ferrari, “pluriversal” und “speculative”.undefined
Pluriversales / Spekulatives Design
“Pluriversal Design” und “Speculative Design” klingen zum Einstieg zugegeben nicht weniger nebulös als Digital Makerspace. Die Prinzipien, die sich daraus ableiten lassen, sind aber deutlich griffiger. Entscheidend ist hierbei der Aspekt des Designs, also der bewussten und in unserem Fall fortlaufenden aktiven Gestaltung. Pluriversal bedeutet in etwa, dass diese Prozesse offen, partizipativ und für das Setting oder den Ort spezifisch ablaufen. Und, dass es mehr als einen Zielpunkt geben kann. Das wiederum korreliert mit dem Ideal eines Co-Designs. Bibliotheken, Museen und anderen Kulturerbeeinrichtungen haben zwar nach wie vor einen Fokus, der sich aus ihren Sammlungen und Beständen ergibt. Dessen Zentrierung verschiebt sich aber: Von einer Bestandsorientierung mit kuratorisch geleiteter Inszenierung hin zu einer konsequenten Ausrichtung auf die Aktivierung, Interaktion und Weiterentwicklung durch Besucher*innen, die, wenn man an Konzepte wie Co-Curation denkt, dann mehr als das sind. Die Häuser denen, die sie nutzen! So könnte man es zugespitzt als Motto formulieren. Und es wäre dann womöglich weniger von Kulturerbe als von Kulturkontexten zu sprechen, in denen die jeweiligen Objekte gleichermaßen der fortlaufend möglichen Betrachtung, Beforschung und Inspiration dienen. Die Kontingenz, die bei näherer Betrachtung ohnehin schon allen Ausstellungen innewohnt, wird zu einem Leitprinzip. Das Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit, die zu jedem physischen Objekt ein vielfältig weiter form- und verarbeitbares digitales Abbild ermöglicht, bewirkt für Sammlungen und Sammlungserfahrungen Öffnung.
Das Denken dieser Offenheit verweist wiederum auf eine Folge der möglichen Mannigfaltigkeit der Produktion, Interpretation und Präsentation von Kultur: “Speculative rich design”. Oder die ausdrücklich offenen Fragen: Was könnte wie sein? Was ist vorstellbar? Was ist plausibel? Was ist wünschenswert?
Dahinter verbirgt sich ein fortwährender und zukunftsgerichteter Reflexions- und Kontextualisierungsprozess, der zwischen dem Gegebenen, also vorhandenen Kulturobjekten, und dem Kommenden, also möglicherweise daraus hervorgehenden zukünftigen Kulturobjekten, vermittelt. Dieses Gefüge wird ebenfalls aktiv, partizipativ, inklusiv und nicht-hegemonial ausgestaltet.
Digital Makerspaces als Ort pluriversalen und spekulativen Designs
“Aktiv, partizipativ, inklusiv, nicht-hegemonial” sind entsprechend Eigenschaften für ein Leitbild des Digital Makerspace. Dass das mit den Prinzipien der Werkzeugkammern und offenen Werkstätten öffentlicher Bibliotheken, die zuerst die Bezeichnung “Makerspace” trugen, harmoniert, macht den Ansatz nur noch stimmiger. Ein physischer und virtueller Möglichkeitsort, der es erlaubt, die Auseinandersetzung mit Kultur offensiv vielfältig, digital geprägt und zieloffen zu gestalten – das könnte eine Beschreibung für einen Digital Makerspace sein.
Paola Ferrari betonte in ihrer Präsentation, dass die Digitalisierung weder ein Extra noch ein Ersatz für physische Begegnungs- und Erfahrungsräume in Kulturinstitutionen darstellt. Vielmehr bewirkt sie eine Erweiterung, deren griffigste Ausprägung möglicherweise Anwendungen der so genannten “Augmented Reality” sind, die aber grundlegender ist, als es die allgegenwärtige, oft sehr funktional gedachte Appifizierung der Digitalität vermuten lässt.
Daher muss nach dieser Lesart eine Digital Makerspace mehr oder sogar betont noch etwas anderes sein, als ein Ort, an dem man zielstrebig lernt, Smartphone-Apps zu schreiben und Datenmodelle darauf anzupassen. Beziehungsweise kommt dies immer im Gepäck mit einer auch digitalphilosophischen Reflexion darüber, was dadurch wie anders wird und was dies bedeuten könnte.
Für den Digital Makerspace an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Klassik Stiftung Weimar wäre ein Pfad, durchaus am konkreten Beispiel einer App, eines Datenschemas oder eines Digitalisierungsprozesses, denkbar, die berühmte Frage: Was bedeutet das alles? nicht allein zu fragen, sondern im Sinne des spekulativen Designs auf: Was könnte das alles noch bedeuten? zu erweitern.
Damit sich dies jedoch nicht in freischwebender Beliebigkeit oder Redundanzen verliert, braucht der Ansatz eine stabile Klammer, die, wo es sich anbietet, Dinge konkretisiert und referenzierbar macht. Die Entwicklung einer dafür tauglichen Praxis wird entsprechend ebenfalls eine Aufgabe des “Making” im Digital Makerspace sein. “Making” bedeutet demnach insbesondere, die Vielzahl der Möglichkeiten aufzugreifen und aus ihnen ein “Make it work” zu machen. Schwer genug. Aber auch ungemein anregend.
Nächste Schritte
Das Leitverfahren des Digital Makerspace werden Veranstaltungen sein. Wir planen einerseits Vorträge mit Diskussion, wie den von Paola Ferrari, und andererseits Workshops, die methodisch begleitet zu einem umrissenen Thema, Ideen, zum Beispiel des Co-Designs, in eine greifbare Form bringen. Digitales kann dabei Bezugspunkt, Inspiration, Mittel oder auch Ziel sein.
Das Programm nimmt derzeit Form an, Workshops sind in Planung, Zielgruppen werden angesprochen. Aus dem Ansatz von Paola Ferrari nehmen wir mit, dass wir die beschriebenen Designkonzepte noch nachdrücklicher in den Leitprinzipien für die Workshops und den Digital Makerspace verankern und explizieren.
Darüber hinaus können wir dank des Playbooks von Paola Ferrari im Prinzip sofort in die von ihr elaboriert entworfenen Schwerpunkte:
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Co-Design-Hub
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Seamless Learning
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Spatial Experiences
einsteigen. Für das entsprechende “Make it work” werden wir sicher viele der Aspekte ihrer Arbeit in die kommenden Workshops einbinden.
Weitere Informationen zu unserer Arbeit und unserem Programm folgen in diesem Blog.
Weitere Informationen zum Pluriversal-Spaces-Ansatz von Paola Ferrari gibt es auf dieser Seite: https://pluriversalspacesplaybook.cargo.site/
Literatur:
Paola Bonetto Ferrari: _pluriversal spaces. An inquiry into digitalisation and experience design in LAM Institutions. Weimar: Bauhaus-Universität Weimar, 2022