Sammlungen und Sammlungsforschung

Für die Entwicklung des Virtuellen Sammlungsraumes bzw. dessen Datenmodell ist es nützlich, zunächst den Begriff der Sammlungsforschung genauer zu betrachten. Grundsätzlich lassen sich zwei Perspektiven auf Sammlungsforschung unterscheiden:

Einerseits können die Objekte einer Sammlung jeweils als Forschungsmedium im Sinne historischer Quellen genutzt werden. In dieser Hinsicht ist Sammlungsforschung als sammlungsgestützte Forschung zu verstehen, die vor allem auf die Inhalte der einzelnen Sammlungsobjekte fokussiert. Sie geht der Frage nach: Was ist in einer Sammlung x enthalten, welche Quellen enthält sie, mit deren Hilfe eine Forschungsfrage näher beleuchtet werden kann? Die Perspektive zeigt sich besonders in dem Phänomen der wissenschaftlichen (Quellen-)Edition, die sich für bestimmte Aspekte eines Mediums - wie den Inhalt oder den sprachlichen Gehalt - interessiert.

Anderseits kann die Sammlung selbst Gegenstand der Forschung sein. Diese interessiert sich vor allem für übergeordnete Strukturen und Prozesse der Sammlung an sich. Unter welchen sozial-historischen Bedingungen hat sich die Sammlung konstituiert, welche Akteure haben mit welchen Intentionen Einfluss auf den Bestand einer Sammlung genommen?

Die Sammlung als ...
Forschungsmedium Forschungsgegenstand
Forschung mit Hilfe der Sammlung Forschung an der Sammlung
Untersuchung einzelner enthaltener Objekte im Sinne historischer Quellen Forschungsgegenstand ist die Sammlung an sich, ihre Strukturen und sie konstituierenden Prozesse
Zugang über Listenansichten und Filter von Katalogen, welche einen Überblick über den Inhalt der Sammlung geben Zugang über interaktive Visualisierungen, welche grundlegende Strukturen sichtbar machen

 

Ein Beispiel in dem die Sammlungs als Forschungsmedium fungieren kann, wäre die Frage, was die Bücher der Privatbibliothek Johann Wolfgang von Goethes über dessen Verhältnis zu einem bestimmten Thema aussagen können. Hierbei widmet man sich einer Auswahl an Objekten, einem Ausschnitt der Sammlung und beantwortet mit diesen eine Frage, die durchaus auch außerhalb der Sammlung angesiedelt sein kann. Um nun aus dem Bestand der Sammlung schnell das relevante Material herauszusuchen, eignen sich traditionelle digitale Kataloge besonders gut. Die Aufbereitung von Suchergebnissen in Form von Listen lässt sich über Paginierungen sehr gut skalieren und bietet somit auch bei großen Sammlungen ein hohes Maß an Übersichtlichkeit. Mittels Filterfunktionen können die gewünschten Ergebnisse schnell eingeschränkt und das relevante Material herausgesucht werden.

Anders verhält es sich, wenn die Sammlung als Forschungsgegenstand im Mittelpunkt steht. Hier geht es weniger um die Untersuchung einzelner Inhalte als um die Sammlung an sich, ihre Strukturen und konstitutiven Prozesse. Hier stoßen die bekannten Katalogansichten an ihre Grenzen. Durch ihren Fokus auf vereinzelte Objekte, werden übergeordnete Trends nur schwer sichtbar. Daher bietet sich ein Einstieg über interaktive Visualisierungen wie Zeitleisten oder Netzwerke an. So können beispielsweise Cluster in den Sammlungsstrukturen besser erkannt werden und machen so Rückschlüsse über den Aufbau der Sammlung an sich möglich.

In der Realität ist die Grenze zwischen den Bereichen Forschungsgegenstand und Forschungsmedium sicher oft weniger scharf gezogen. Um so mehr stellt sich daher die Frage, inwiefern Kataloge, welche vor allem mit Listen- oder Kachelansichten arbeiten sinnvoll durch Visualisierungen ergänzt werden können, um verschiedene Perspektive und somit auch verschiedene Zugänge zu Sammlungen zu eröffnen.