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Workshops

Fünftes Treffen der Forschungsgruppe »Provenienz«

Provenienzen ausstellen

17. November 2022

Sonder- und Studioausstellungen zum Themenkomplex Provenienz haben Konjunktur: Seit der Washingtoner Erklärung von 1998, deren Fluchtpunkt die Identifikation und Rückgabe von NS-Raubkunst gewesen ist, lässt sich ein gesteigertes Problembewusstsein kulturgutsammelnder Institutionen konstatieren. Niederschlag findet dies nicht nur in einer gesteigerten Intensität der Provenienzforschung und Restitutionen, sondern auch bei der daran gekoppelten Ergebnispräsentation und öffentlichen Aufklärung.

Das Spektrum der Ausstellungen reicht dabei weit und wird durch die Möglichkeiten digitaler Formate zunehmend ergänzt. Exemplarisch zu nennen sind personenbezogene Darstellungen, die sich sowohl entrechteten Vorbesitzer*innen als auch entrechtenden Akteuren aufseiten der Institutionen, des Kunst- oder Antiquariatshandels widmen. Auch Ausstellungen zu prominenten Einzelobjekten oder zur Institutionsgeschichte ganzer Sammlungseinrichtungen nehmen zu. Fast immer lässt sich dabei eine Veränderung des Ausstellungsmodus beobachten – weg vom ästhetischen Selbstzweck der vermeintlich statischen Exponate auf Werkebene, hin zu ihrer historisch geprägten Geschichte auf Objektebene. Für die Ausstellungspraxis birgt diese Verlagerung ein selbstreflexives Moment: Der Blick auf Provenienzketten macht (historische) Erwerbungszusammenhänge und ihre Aufarbeitung transparent – Hausakten, Zugangsbücher und Nachlasskorrespondenzen werden selbst Bestandteil der Ausstellungserfahrung. Durch die Kategorie Provenienz gewinnen die Objekte demnach auch im musealen Kontext an Vielschichtigkeit. Das dadurch freigesetzte Potential zeigt sich auch dort, wo infolge von problematischen Vorprovenienzen oder Restitutionsprozessen eine Leerstelle im Sammlungszusammenhang thematisiert werden kann.

Der 5. Workshop der MWW-Forschungsgruppe Provenienz fragt in diesem Zusammenhang nach musealen Auswahl-, Ausstellungs- und Vermittlungspraktiken, der Erwartungshaltung des Publikums sowie der Rolle der Provenienzforschung und nicht zuletzt nach den Möglichkeiten einer digitalen Sammlungs- und Ausstellungspraxis.

Programm

Viertes Treffen der Forschungsgruppe »Provenienz«

Literatur(wissenschaft) und Provenienz

7. und 8. Juli 2022

Wenn heute in der Öffentlichkeit die Rede von Provenienz ist, geht es meist um die Erforschung unrechtmäßiger Besitzverhältnisse und die Restitution der so erworbenen Objekte. Aus der Perspektive der Literaturwissenschaft, zumal einer materialbasierten, hat die Dimension Provenienz aber weitere Aspekte, die bisher nur wenig erforscht sind. Wie können etwa Provenienzmerkmale wie Besitzvermerke, Widmungen und Anstreichungen in bestimmten Exemplaren zu unserem Verständnis der Entstehung von Einzeltexten und Überlieferungsprozessen beitragen? Wie werden diese Phänomene in der literaturwissenschaftlichen Forschung aufgenommen und wie könnte sich diese Forschung weiterentwickeln? Wie erzählen, reflektieren oder parodieren literarische Texte das Phänomen Provenienz? Welchen Einfluss hatten hier die öffentlichen Diskussionen zur Provenienzforschung seit der Washingtoner Erklärung von 1998? Diesen und ähnlichen Fragen geht der Workshop »Literatur(wissenschaft) und Provenienz« nach, der am 7. und 8. Juli 2022 im DLA Marbach stattfinden wird.

Programm

Drittes (virtuelles) Treffen der Forschungsgruppe »Provenienz« 

Spuren des Schreibprozesses. Autographenhandel zwischen literaturwissenschaftlichem Erkenntnisinteresse und Sammlerleidenschaft

17. März 2022

Literarische Autographen sind weitaus mehr als ein sinnliches Zeugnis vom Leben einer verehrten Persönlichkeit; sie sind eine unverzichtbare Quelle der Literaturwissenschaft. Diese Erkenntnis hat sich so weit durchgesetzt, dass heute schon beinahe ein Rechtfertigungsdruck besteht, wenn ein Werk nicht von handschriftlichen Aufzeichnungen seines Autors oder seiner Autorin begleitet wird, zumindest wenn es um die Dokumentation oder Archivierung ihres Schaffens gilt. Diese fanden bis zum Ende des 20. Jahrhunderts vorwiegend auf Papier statt, wobei besonders die handschriftliche Spur als Ausdruck der Persönlichkeit einer Autorin oder eines Autors gilt. Diese Spuren, die das Schreiben hinterlässt, zeugen zudem nicht nur von der Provenienz eines Textes, sie geben Einblicke in den Schaffensprozess eines Kunstwerks und ermöglichen Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen seines Urhebers oder seiner Urheberin. Das Autographensammeln wird somit zum Bindeglied zwischen dem produktiven und rezeptiven Verhältnis zum Schreibprozess, weshalb Autographen in vielen Fällen das Fundament institutioneller Literaturarchive wie in Weimar und Marbach, Berlin, Wien oder Bern bilden – um nur die zentralen Orte im deutschsprachigen Raum zu nennen. Zugleich sind Autographen seit dem 19. Jahrhundert ein begehrtes privates Sammelobjekt, dem eine Aura im Sinn Benjamins zugeschrieben wird, an der sich durch Besitz teilhaben lässt – so jedenfalls die Idee. Selbst prominente Autoren wie Johann Wolfgang Goethe und Stefan Zweig sammelten daher die Autographen anderer.

Der geplante Workshop nimmt die Akteure und Praktiken des privaten und institutionellen Sammelns und Handels mit literarischen Autographen heute und aus historischer Perspektive in den Blick, wobei ein historischer Schwerpunkt vor und nach der historischen Zäsur 1945 liegen wird. Welche Rolle spiel(t)en Provenienz und Objektgeschichte beim Erwerb, Verkauf oder Tausch von literarischen Autographen für private Sammlerinnen und Sammler, Antiquariate und auf Forschung ausgerichtete Gedächtnisinstitutionen? Wo wird der Blick auf Herkunftswege und Besitzerwechsel erhellt oder verdunkelt? Wie verhalten sich diese Akteure zueinander und sind miteinander verflochten?

Zweites (virtuelles) Treffen der Forschungsgruppe »Provenienz« 

Die Erwerbungspolitik der MWW-Institutionen im Kontext ihrer Sammlungspolitik

24. November 2021

Wenn Gedächtnisinstitutionen sammeln, tun sie das nicht nur um der Objekte selbst willen. Auch ihre Herkunft, ihre Exemplargeschichte spielt dabei eine wichtige Rolle. Seit jeher erwerben Institutionen Objekte und Sammlungen aufgrund ihrer Herkunft, zum Beispiel weil sie einer bestimmten Person gehörten. Dies erschien als eine solche Selbstverständlichkeit, dass sie lange Zeit nicht weiter reflektiert wurde. Die Provenienzforschung der letzten Jahrzehnte hat aber eine neue Aufmerksamkeit für die Herkunft von Objekten und Sammlungen geschaffen, auch über die rechtlichen Aspekte hinaus. Am Beispiel der drei MWW-Einrichtungen in Marbach, Weimar und Wolfenbüttel wird im Rahmen dieses Workshops der Frage nachgegangen, wie der Aspekt der Herkunft die Erwerbungs- und Sammlungspolitik von Gedächtnisinstitutionen beeinflusst. Dabei steht einerseits die aktuelle Vorgehensweise der Häuser im Fokus – inwiefern ist Herkunft, Provenienz ein entscheidendes Kriterium bei dem Erwerb neuer Objekte und Sammlungen? Welche Verfahren werden heute angewandt, um eine eventuell problematische Herkunft auszuschließen? Wie wird entschieden, welche Objekte erworben werden – oder auch nicht? Andererseits soll aber auch eine historische Ebene einbezogen und nach den Praktiken, die Institutionen in der Vergangenheit angewandt haben, gefragt werden.

Erstes (virtuelles) Treffen der Forschungsgruppe »Provenienz« 

Listen-Wissen. Bücherbewegungen, Sammlungspolitik, Digitalisierungsstrategien

11. Februar 2021

Sammlungen sind keine statischen Gebilde. Zum Erwerben und Verkaufen, auffinden, Ausleihen, Verlieren und Eintauschen von Autografen, Bildern und Büchern steht der als Zusammenhang sichtbare Bestand in einem evidenten Spannungsverhältnis. Je größer, stringenter und reichhaltiger Sammlungen sind und je schwerer die Sachzusammengehörigkeit der gesammelten Gegenstände wiegt, desto schneller erscheinen Bewegungen und Zeitspuren der Objekte sowie frühere Sammlungs- und Wissenszusammenhänge als akzidentielle Ereignisse. Auf sie richtet dieser Workshop den Blick, in dem er sich Sammlungen, gesammelten Objekten und ihren Besitzerinnen bzw. Besitzern aus der Perspektive der Zugangsbücher und Kataloge widmet.

Geht es um die Bibliotheks-Ausleihen Goethes, die Suche nach Handschriften im Zuge von Editionsvorhaben, die Erforschung der Wissensordnungen frühneuzeitlicher Gelehrtenbibliotheken, Spezialbibliografien, die Beschäftigung mit der Zerstreuung einer Bibliothek oder aber auch um die Veränderungen der Sammlungspolitik eines Archivs, gewinnen Listen als elementare Dokumentationsformen an Relevanz. Sie sind Produkte einer besonderen Aufmerksamkeit für das Vorläufige und Bewegliche, das Veränderliche jeder Sammlung und in der Form von Inventaren deren dauerhafte Dokumentation. Auktionskataloge und -protokolle sowie Akzessionsjournale (Zugangsbücher) lenken die Aufmerksamkeit auf Besitzerwechsel, frühere Bewertungen, divergierenden Relevanzurteile und Deutungen – auf Ereignisse und Zwischenfälle der Überlieferungsgeschichte also, die sich meist nicht unmittelbar im Bestand selbst spiegeln.

Listen sind nicht zuletzt wichtig für Fragen nach der Herkunft, der Provenienz der Dinge, der Genealogie von Sammlungen und, im Falle der Zerstreuung, dem Nachleben der Dinge, die sie einmal ausmachten. Die Rekonstruktion von Herkunftswegen erfordert positivistische Spurensuchen und kleinteilige Beweisverfahren, die ohne Antiquariatskataloge, Zugangsbücher und Inventare undenkbar sind. Jenseits ihrer Relevanz für objektbiografische Recherchen sind die überlieferten Listen dabei als strukturierte Information eminent aussagekräftig.

Sie sind ein Ausgangspunkt für klassisch-hermeneutische und auch für quantitative Analysen und Visualisierungen größerer Sammlungs-, Verkaufs- und Erwerbungszusammenhänge. Sie ermöglichen Aussagen über die Netzwerke, Strukturen und Entwicklungen zwischen dem Autografen- und Antiquariatsmarkt, sammelnden Einrichtungen und Forschungsarbeit. Nicht zuletzt ermöglichen sie die Historisierung und Relationierung von Objekten und Beständen.

Digitalisierung, Forschungsdaten – Ausgehend von Provenienzinformation als “linked data” lassen sich Objektbiografien, Kanonisierungsprozesse, Aspekte der Geschichte von Geschmack und Kennerschaft, aber vor allem Verflechtungen der sammelnden Einrichtungen mit dem Antiquariats- und Autografenhandel, mit privaten Sammlern, Editionsprojekten, Forschung und Forschungsförderung untersuchen. Gerade Zugangsbücher erlauben eine niedrigschwellige quantitative Auswertung durch die Forschung zu Handelsnetzen, Kanonisierungsprozessen und Wertentwicklungen.

Aber wie lässt sich sinnvoll mit Katalogen oder zu Katalogen forschen? Welche Quellen sind von primärem Interesse? Mit welchen Herausforderungen oder Schwierigkeiten hat man es zu tun? Und (wie) können die Digitalisierung und Aufbereitung (Transkription/OCR, Anreicherung durch Normdaten etc.) von ausgewählten Katalogen, Zugangsbüchern und ähnlichen Verzeichnissen an vorhandene Strukturen (Getty Provenance Index; das Projekt German Sales sowie die Sammlung Auktionskataloge digital der Universitätsbibliothek Heidelberg und der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin; digitalisierte Zugangsbücher der HAAB etc.) anknüpfen und diese erweitern? Wo kann oder sollte aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ein eigener Akzent gesetzt werden?