Eine systematische Erschließung der Herkunfts- und Besitzgeschichte von Einzelobjekten bis hin zu ganzen Sammlungen ist in Deutschland spätestens seit dem Fall Cornelius Gurlitt eine permanente Herausforderung für Museen, Archive oder Bibliotheken und heute medial allgegenwärtig. Daraus ergeben sich auch drängende wissenschaftlich-methodische Fragestellungen. Aktuell zeigt eine Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste das Ergebnis einer solchen Annäherung an Kulturgut.
Zum einen ist dies wichtig, da sich verbunden mit Begriffen wie Raub- und Beutekunst oder Kulturgutentziehung, die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Eigentums und Besitzes in Privat-, aber vor allem auch öffentlich getragenen Sammlungen stellt. Mit Blick auf Kolonialgeschichte, Nationalsozialismus und die Nachkriegsgeschichte in der DDR und der Bundesrepublik stehen Forderungen und Ansprüche nach Restitution und Wiedergutmachung im Raum.
Dringlichkeit und Intensität, die Relevanz des Themas lassen sich exemplarisch an den Schlagzeilen, Stellungnahmen und Diskussionen um die Ausstellungen im Berliner Humboldt-Forum ablesen. Die Sammlung des ehemaligen Berliner Völkerkundemuseums, heute Ethnologische Sammlungen, erfährt gerade eine Neubewertung und ist Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen über die deutsche Kolonialvergangenheit und deren Aufarbeitung. Eine andere Facette von Provenienzforschung in Deutschland wird in Magdeburg untersucht. Dort beschäftigt sich mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste eine Stiftung mit der Förderung von Provenienzforschung, die zum Ziel hat, Unrecht zu sühnen und beispielsweise »die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz« voranzubringen.
Die Ausstellung gibt einen Einblick in die teils langwierigen und komplexen Prozesse der Recherche und des Belegs von Provenienz von Kulturgütern in den Depots der Akademie der Künste. Dies erfolgt in der Ausstellung entlang einzelner Kunstobjekte und Dokumente wie Bestandslisten und kurzen Erläuterungstexten, die die Besucherinnen und Besucher, fundiert beschreibend, durch die Räume leiten. Zur Vertiefung gibt es Audio-Stationen und zwei Audioguides; neben einem klassischen, auch einen mit Kindern für Kinder produzierten.
Die Objekte sind prominente Beispiele aus der deutschen Kunstgeschichte. Beginnend mit der im Foyer des Hauses aufgestellten Urania aus der Berliner Bildhauerschule, die eine sehr bewegte »Reise« durch die Zeiten, vom Marstall Unter den Linden zur fast vergessenen und durch Vandalismus gezeichneten Zierplastik im Kleistpark in Berlin-Schöneberg, hinter sich hat.
In den Ausstellungsräumen begegnet man dann u.a. dem digitalisierten Skizzenbuch Max Liebermanns, der Bibliothek Alfred Kerrs oder der Geschichte des Verbleibs der »Havelziehbrücke«, ein Gemälde von Max Kaus.
Die Objektgeschichten zeigen die eindrücklichen und teils verschlungenen Pfade von Gebrauch und beispielsweise auch Besitzerwechsel, wie sie durch Beschlagnahme und Aneignung von Privateigentum im NS-Staat erzwungen wurden. Gleichzeitig erzählen sie aber auch vom Alltag im Nationalsozialismus, von Diskriminierung, Vertreibung und Ermordung von Millionen Menschen, vornehmlich jüdischen Schicksalen sowie auch dem Kunstmarkt unter der Diktatur. Zeitgeschichte ist hier Kunstgeschichte, ebenso aber auch Wirtschafts- oder Rechtshistorie.
Der konkrete Bezug zur eigenen Vergangenheit der Akademie der Künste unterstreicht die Bedeutung der Ausstellung als für jedermann erfahrbares Ergebnis einer intensiven Selbstbefragung der Institution, ihrer Sammlungen und Geschichte. Die Ausstellung ist so vor allem als Dokumentation und als Zeichen einer Öffnung für einen erweiterten Diskurs zu sehen.
Die Ausstellung konzentriert sich thematisch auf NS-Raubkunst, Kriegsverluste und Kulturgutentziehung in der DDR und kann deshalb nur einen Ausschnitt – und dies auch nur an wenigen Objekten – beleuchten. Bereits der Ausstellungstitel Spurensicherung – Die Geschichte(n) hinter den Werken nimmt dies vorweg. Man spürt die Lücken und die sich daraus ergebenden Folgefragen nahezu unvermeidlich. Eine »Spurensicherung« geht einer eigentlichen Analyse- und Ermittlungsarbeit voraus. Daher bleibt das Thema Provenienz sicher für die Akademie der Künste genauso relevant bestehen, wie grundsätzlich auch für die Kulturerbelandschaft in Deutschland allgemein. Es ist sehr wahrscheinlich sogar ein Thema von wachsender Bedeutung, bedenkt man Zahl, Umfang und eben auch die zu klärende Provenienz so vieler Objekte und Sammlungen.
Soweit ein Überblick zur Ausstellung und eine kurze Einführung in ein Thema, das auch den Digital Makerspace beschäftigen wird. In seinem Programm wird es dabei weniger um Fragen von Entziehung und Restitution gehen, sondern mehr um die Geschichten, also den Kontext zu bisher wenig erschlossenen Beständen und Objekten. Welche Reise nahm ein Gegenstand, wer besaß ihn, um was damit zu tun? Wir wollen in Kooperation mit Partnerinstitutionen und mit tatkräftigem Doing von Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmern beispielhaft die Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar mit digitalen Werkzeugen beforschen und so bisher unentdeckte inhaltliche Bezüge erschließen und diese auch dar- und ausstellen.
(16.11.2022)