Programm

Hier können Sie das Programm der International Summer School 2021 sowie kurze Abstracts zu einzelnen Programmpunkten einsehen. 

 Curriculum zum Download


Montag, 16.8.2021

Katharina Günther, Christoph Schmälzle – Praxis des Sammelns – Begrüßung und Einführung MWW

In diesem Seminar wird der Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel kurz vorgestellt und das Konzept der Summer School in diesem Zusammenhang erläutert. Darauf folgt ein einführender Überblick zur topographischen Wissensordnung in Weimar. Im Mittelpunkt stehen die Dichterhäuser als Keimzelle der institutionalisierten Memorialkultur sowie die historischen Funktionsbauten zur Aufbewahrung, Erforschung und Präsentation der nationalkulturell bedeutenden Sammlungen. Konkrete Beispiele aus der Fallstudie »Kunst und Memoria« und der Forschungsgruppe »Raum« illustrieren das Erkenntnispotential digitaler Sammlungsräume.

Stephan Günzel – The production of Space (Lefebvre)

Das Seminar behandelt die zentrale theoretische Grundlage des Spatial Turn anhand der Einleitung von Henri Lefebvres Produktion des Raums (frz. 1974/engl. 1991/dt. 2006) und der Interpretation durch Edward Soja von 1996 mit dem diese zum Schlüsseltext der sozialwissenschaftlichen Raumlehre wurde. Hervorgehoben werden soll vor allem die prozesshafte und multidimensionale Aufassung von Raum durch Lefebvre.


Dienstag, 17.8.2021 – Tagesthema Goethehaus

Christiane Holm – Sammeln/Wohnen. Goethes Raumpraktiken

In seinem Haus am Frauenplan trennte Goethe nicht zwischen Wohn- und Sammlungsräumen. Entsprechend seiner Auffassung von einer Sammlung als »Unendliches in Bewegung« ist das Haus nicht als statisches Behältnis eingerechtet, in dem jedes Objekt seinen festen Platz hat. Der Hausherr bevorzugte temporäre und flexible Präsentationsformen, um sich seine Bestände in wechselnden Wahrnehmungssituationen anzueignen. Dabei kultuvierte er eine gewisse Unordnung, um das »Gespräch mit den Dingen« in Gang zu halten.

Paul Kahl – Die Erfindung des Dichterhauses. Das Weimarer Goethehaus im 19. und 20. Jahrhundert

Vortrag und Seminar sind dem Goethe-Nationalmuseum in Weimar als mehrfach codiertem Geschichtsort gewidmet. 

Thomas Schmidt – Zum Umgang mit Sammlungen in Dichterhäusern

Die Veranstaltung soll einen terminologischen Rahmen für den authentischen Personen-Erinnerungsort Dichterhaus abstecken. Zudem wird aus der Perspektive des Kurators gefragt, wie an solchen Orten zukünftig mit Räumen und Sammlungen umzugehen ist – wobei der Sammlungsbegriff über das Materielle hinaus auf jene Narrationen ausgedehnt wird, die an den jeweiligen Ort gebunden sind. 


Donnerstag, 19.8.2021 – Tagesthema Herzogin Anna Amalia Bibliothek 

Ulrich Johannes Schneider – Sammlungen außer Sicht – Das Dilemma des Lesesaals

Bücher im Bibliotheksregal haben Geschichten, meist verbunden mit dem Vorbesitz. Bibliotheken aber sind Räume mit Klima. Wir wirkt sich das auf die Bücher aus? Was verrät ein Buch über die Luft, die es atmet? Der Vortrag präsentiert erste Überlegungen zu einer Klimageschichte von Büchern.

Stefan Höppner, Ulrike Trenkmann – Goethe digital

»Goethe digital« ist eine von sechs laufenden MWW-Fallstudien. Auf der Basis einer digitalen Katalogisierung von Goehtes Privatbibliothek und seinen Buchausleihen in der ersten MWW-Förderphase (2014-2019) geht es nun darum, Goethes Arbeit mit seinen Büchern zu erforschen und in digitalen Visualisierungen zu fassen. Im Seminar werden Stefan Höppner und Ulrike trenkmann zunächst Goethes Büchersammlung und den Bibliotheksraum im Weimarer Goethehaus vorstellen. Im zweiten Teil erörtern sie das Erkenntnispotential von digitalen Visualisierungen ihrer Daten. Als Beispiele dienen eine interaktive Darstellung von Goethes Weimarer Ausleihen, die in Zusammenarbeit mit dem Urban Complexity Lab der FH Potsdam entstand, sowie Geokartierungen von Bucheinsendungen an Goethe für seine Privatbibliothek.


Freitag, 20.8.2021 – Tagesthema Digitale Räume

Christiane Müller, Stefan Alschner – Digitale Sammlungsforschung in MWW I

Im ersten Block werden die beiden DH-Projekte VFR und VSR vorgestellt. Der Virtuelle Forschungsraum (VFR) bietet Forscherinnen und Forschern an verschiedenen Standorten digitalen Zugang zu den Sammlungen und interaktive computergestützte Arbeitsmöglichkeiten für kooperative Forschungsprojekte. Als vernetzende Infrastruktur ist er damit auch digitales Zugangs- und Arbeitsportal zu den Forschungsprojekten des Verbunds und den Verbundeinrichtungen. Eine Möglichkeit, um Sammlungen wissenschaftlich zu betrachten, ist es, diese als weit verzweigte Netzwerke zu modellieren. Der Virtuelle Sammlungsraum (VSR) ist daher als Anwendung konzipiert, welche Sammlungen sowie deren unterliegenden Prozesse und Netzwerkstrulturen visuell erfahr- und erforschbar zu machen. 

Angela Kailus – Dynamische Koexistenz. Analoge und digitale Räume des Sammelns im Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte

Große fotografische Bildsammlungen sind ein konstituierendes Moment für die Herausbildung der Kunstgeschichte als Fach, die sie als visuelle Repräsentationen ihrer Objekte benötigt. Das Foto ist ein Vehikel zur Überwindung ihrer zeitlichen und räumlichen Gebundenheit. Technische Innovationen waren daher immer Gelegenheiten, um Bildsammlungen noch besser verfügbar zu machen, sie weiter zu entorten. Erst mit der Historisierung der Analogfotografie beginnt sich das Bildarchiv als materielle Sammlung von Foto-Objekten zu definieren. Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet von den miteinander verflochtenen Anforderungen, die Bestände einerseits im entgrenzten digitalen Raum des Internets qualifiziert zu präsentieren, aber gleichzeitig den Blick auf den Quellenwert der Fotografien und das Archiv als Ort und Gegenstand der Forschung zu richten. 

Ulrich Päßler – (Reise-)Wege zu Humboldt: Die »edition humboldt digital«

Das Akademievorhaben »Alexander Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung« widmet sich der Edition und Erforschung der Manuskripte Humboldts zum Themenkomplex Reisen. Die digitale Erschließung der Hndschriften bezieht Forschungsdaten aus unterschiedlichen Sammlungskontexten sowie externe Fachdatenbanken ein. In der »edition humboldt digital« sollen so Humboldt'sche Praktiken des Notierens und Datensammelns auf Reisen, aber auch am heimischen Schreibtisch in Paris und Berlin, sichtbar gemacht werden. 

Christian Thomas – Unterwegs mit Humboldt, Ehrenberg und JSON: chronotopische Datenzugänge am Beispiel der »edition humboldt digital«

Anschließend an Ulrich Päßlers Vortrag »(Reise-)Wege zu Humboldt: Die edition humboldt digital« werden an konkreten Beispielen Standards und Best Practices bei der Identifikation, Annotation und Normierung von Georeferenzen im Zuge der editorischen Erschließung von Humboldts Reisetagebüchern, Briefwechseln, Nachlassdokumenten sowie der Chronologie seiner wichtigsten Lebensstationen thematisiert. Schließlich werden derzeit in Entwicklung befindliche, experimentelle Zugänge zur Verbindung der zeitlichen und räumlichen Dimension vorgestellt. 


Montag, 23.8.2021 – Tagesthema Archiv, Depot & Museum

Alexander Rosenbaum – Raumkonzepte des Goethe- und Schiller-Archivs

Neben einer Darstellug der spezifischen Bau- und Sammlungsgeschichte des Goethe- und Schiller-Archivs wird anhand ausgewählter Handschriften dessen Kernstück – Goethes persönliches Archiv – vorgestellt und nach seiner Bedeutung für das literarische Schaffen wie biographische Selbstverständnis des Dichters gefragt. 

Silke Henke – Präsentation der Hybridedition des Faust

Zu Goethes Faust, einem der wichtigsten Werke der Weltliteratur, ist 2018 eine histoprisch-kritische Hybridausgabe erschienen. Die Ausgabe verbindet eine digitale Edition, die unter www.faustedition.net im Netz frei zugänglich ist, mit einer Textausgabe des ganzen Faust und mit einem Faksimile der Gesamthandschrift des zweiten Teils als gedruckten Ausgaben. Im rahmen der Summer School wird die Ausgabe vorgestellt. Zugleich sollen anhand der digitalen Edition die Ziele und Möglichkeiten für den Aufbau einer digitalen Sammlung von Dokumenten gezeigt werden.

Anke Blüm – Im politischen Sammlungsfeld des 20. Jahrhunderts. Ein neuer Ort für das Bauhaus und seine Sammlungen in Weimar

Seit 2019 befindet sich das Bauhaus-Museum nicht mehr gegenüber vom Deutschen Nationaltheater in Weimar, sondern direkt am NS-Gauforum. Dieser politisch symbolische Standort war vielumstritten und bedeutet Anspruch und Verantwortung für die Klassik Stiftung Weimar zugleich: Die Bauhaus-Sammlungen müssen sich hier in neuem Kontext beweisen. 


Dienstag, 24.8.2021 – Tagesthema Nietzsche-Archiv und Digitale Sammlungsforschung

Helmut Heit – Räume des Sammelns und des Kults: Nietzsche in Weimar 

Was meint Nietzsche mit antiquarischer, monumentalischer und kritischer Historie? Sind sie alle nur verschiedene Spielarten einer historischen Krankheit, eines dekadenten und lebensschwachen Übermaßens an Geschichtsbewusstsein? Sind die Orte des Sammelns vielmehr Werkstätten des Mumifizierens? Diese Fragen gehen wir nach durch eine Lektüre von Nietzsches Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben.

Hartmut Beyer, Maximilian Görmar, Joëlle Weis – Digitale Sammlungsforschung II 

Die Herzog August Bibliothek (HAB) in Wolfenbüttel ist eines der weltweit führenden Zentren für die Erforschung des Mittelalters und der Frühen Neuzeit und bewahrt, erschließt, erweitert und präsentiert einzigartige Bestände. Als Mitglied des Forschungsverbunds MWW ist es der Bibliothek insbesondere auch ein Anliegen, digitale Methoden der Sammlungsforschung zu entwickeln und zu erproben. Das Seminar gibt Einblick in einige der digitalen Forschungsprojekte, die an der HAB in Wolfenbüttel durchgeführt werden. Nach einer kurzen Vorstellung der Bibliothek und Ihrer Aufgabengebiete widmen wir uns im ersten großem Block des Seminars dem Thema der digitalen Editionen. Anhand einiger konkreter Beispiele zeigt Maximilian Görmar, wie eine kritische digitale Textedition entsteht, und gibt einen Einblick in die technischen Grundlagen, vor allem TEI/XML. Der zweite Teil des Seminars behandelt die digitale Rekonstruktion historischer Bibliotheken – eine Methode, die in den MWW-Projekten »Intellektuelle Netzwerke« und »Weltwissen« in Wolfenbüttel zum Einsatz kommt. Joëlle Weis führt zunächst in die Projekte ein: Was sind unsere Fragestellungen und unsere Ziele? Mit welchen Quellen arbeiten wir? Welche Arbeitsschritte sind notwendig, um von den historischen, handschriftlichen Katalogen zur Bibliotheksrekonstruktion zu gelangen? Hartmut Beyer stellt in diesem Kontext das von ihm entwicklete Tool LibReTo (Library Reconstruction Tool) vor, das es erlaubt, die Daten systematisch zu erfassen und zu präsentieren. Das frei nutzbare Programm verarbeitet Erschließungsdaten im CSV- oder XML-Format zu einer Visualisierung in statischem HTML mit Graphiken auf Javascript-Basis. Eine besondere Stärke liegt darin, dass Daten aus Altkatalogen mit solchem aus der Provenienzerschließung kombiniert und gemischt werden können. Ziel ist es, Forscherinnen und Forschern ein einfach zu bedienendes Werkzeug für die Rekonstruktion historischer Sammlungen an die Hand zu geben, das gleichzeitig die Produktion hochwertiger und projektübergreifend einheitlicher Metadaten fördert.


Mittwoch, 25.8.2021 – Tagesthema Buchenwald

Katharina Günther – »Das Goethehaus ist ziemlich mitgenommen« – Lee Millers Blick auf Buchenwald und Weimar

Die surrealistische Fotografin Lee Miller begleitete im April 1945 die amerikanischen Truppen in das gerade befreite Konzentrationslager Buchenwald. Zeitgenössische schriftliche und bildliche Berichterstattung leistete oft einer ›Entortung‹ des Holocaust aus räumlichen, gesellschaftlichen, zeitlichen und zivilisatorischen Kontexten Vorschub. Dieser Vortrag zeigt, wie Miller den Blick weitete und die Geschehnisse in Weimar – einem historisch und kulturell hochaufgeladenen Ort – verankert.


Donnerstag, 26.8.2021 

Sophia Dietrich-Häfner, Katharina Günther – Kuratierte Sammlungsräume in der Bildenden Kunst

Sophia Dietrich-Häfner spricht über die Tradition von Miniaturkabinetten in Frankfurt am Main und deren vielfältige Funktionen für die Künstler- und Restauratorenfamilie Morgenstern.
Digitale Rekonstruktionen von Museumsobjekten und deren (räumlichen) Zusammenhängen können als ›unauthentisch‹ wahrgenommen werden. Katharina Günther erläutert am Beispiel des Ateliers des britischen Künstlers Francis Bacon und dessen Inhalt, wie auch physische Präsentationen von Archiv- und Sammlungsgegenständen und ihrer Verbindung mit dem dazugehörigen Raum keineswegs immer ›authentische‹ Verhältnisse abbilden und im Gegenteil, das Digitale wichtige Chancen zu einer wissenschaftlich und historisch gültigen Darstellung bietet.