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Geschichtsbücher für die lutherische Sache

In der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel ist einer der ältesten gedruckten Bibliothekskataloge entdeckt worden. Der Einblattdruck von 1575 verzeichnet eine großzügige Schenkung mit Hintersinn.

Er war reich, sie waren bedürftig: 1575 schenkte der gelehrte Augsburger Patrizier Carl Wolfgang Rehlinger (1534–1588) den evangelischen Predigern seiner Vaterstadt eine kleine Bibliothek. Dies bezeugt ein einzigartiger Katalog in Plakatform, der 70 gedruckte Bücher in 55 Bänden verzeichnet. Der Einblattdruck wurde bei Recherchen für das MWW-Teilprojekt „Frühneuzeitliche Gelehrtenbibliotheken“ im Bestand der Herzog August Bibliothek entdeckt.

Es handelt sich um einen der ältesten gedruckten Kataloge privaten beziehungsweise halböffentlichen Buchbesitzes und wahrscheinlich auch um den ältesten gedruckten Katalog einer Spezialbibliothek. Rehlinger wählte für seine Schenkung ausschließlich Bücher zur Geschichte aus: Werke und Editionen humanistischer Geschichtsschreiber, aber auch Werke gnesiolutherischer Historiographie um Matthias Flacius Illyricus (http://diglib.hab.de/drucke/bc-kapsel-19-7s/start.htm).

Wer als letzter geht, sperrt ab

Erst im Vorjahr hatte der Augsburger Ratsherr Johann Baptist Haintzel den Grundstock für die kleine Prediger-Bibliothek gelegt und Kirchenväter-Ausgaben in 86 Bänden geschenkt. In lateinischen Versen beschreibt Rehlinger die Bibliothek, die er um die Sachgruppe „Geschichte“ erweiterte, und gibt eine kurze Benutzungsordnung: Die Bücher können nach Hause entliehen werden und sind sauber zurückzubringen. Der letzte Nutzer möge abends die Bibliothek absperren.

Einblattdrucke machten die Bücherschenkungen der protestantischen Prominenz publik, die sich bildungspolitisch für die eigene Konfession engagierte. In Augsburg waren die Protestanten seit 1548 gezwungen, zusammen mit den Katholiken paritätisch zu regieren, wobei der von den Katholiken dominierte Rat über das evangelische Kirchenwesen mit entschied. Rehlingers Bücher zur Geschichte sollten als Quellen einer bis weit in vorreformatorische Zeit zurückreichenden und entschieden lutherischen Kirchengeschichte gelesen und verstanden werden.

Büchersendungen aus Paris

Ob die geschenkten Bücher aus Rehlingers privatem Besitz stammten oder ob er sie eigens für die Schenkung erwarb, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Seine humanistische Ausbildung und sein Vermögen lassen eine ansehnliche Privatbibliothek vermuten, aus der sich seine Bücherschenkung gespeist haben mag. Nach seinem Studium an der Universität Löwen 1551 hatte Rehlinger Italien bereist, zusammen mit Basilius Amerbach, dem Sohn des Basler Humanisten Bonifacius Amerbach.

Seine Kontakte aus Studienzeiten nutzte Rehlinger auch zur Beschaffung von Büchern. So erhielt er im Oktober 1561 von seinem ehemaligen Präzeptor Johannes Lobbetius, der als Finanzdiplomat für Augsburger Kaufleute in Paris tätig war, 49 Bücher, die dieser billig erworben hatte (http://dx.doi.org/10.7891/e-manuscripta-25552).

 

Eine ausführlichere Darstellung findet sich im Gutenberg-Jahrbuch 90 (2015) unter dem Titel „Die Bücherschenkung des Augsburger Patriziers Carl Wolfgang Rehlinger von 1575 und ihr gedruckter Katalog” (S. 216–234).

 

Nachtrag: Die beiden unterschnittenen spiegelbildlichen Arabesken, aus denen die Bordüre des Einblattdruckes gesetzt ist, wurden von dem Pariser Typographen Robert Granjon (1513–1590) geschnitten. Sie waren in vielen Druckereien in Deutschland, England, Frankreich, Italien und den Niederlanden in Gebrauch und konnten zu einer Vielzahl von Ornamenten kombiniert werden: Hendrik D. L. Vervliet: The combinable type-ornaments of Robert Granjon 1564–1578. In: Journal of the Printing Historical Society 22, 2015, S. 25–61, hier S. 33–36.

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