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Was ist Making in Scholarly und Digital Makerspaces?

Anschlussgedanken an den Vortrag vom 20. Februar 2023

Was ist Making in digitalen bzw. Scholarly Makerspaces? Bei Paola Ferrari und ihrem Konzept eines pluriversalen Digital Makerspaces steht die Idee des konsequenten Co-Design im Mittelpunkt, wie sie uns im Januar 2023 nachdrücklich darstellte. Von dieser Theorie ist es gar nicht so weit zur praktischen Grundausrichtung des Scholarly Makerspace der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, wie aus der Präsentation von Sophie Eckenstaler am 20. Februar 2023 hervorging. Und doch liegen die Dinge in Weimar und Berlin jeweils etwas anders.

Das liegt nicht daran, dass der Scholarly Makerspace als Drittmittelprojekt selbst gefördert und bereits seit 2022 aufgebaut wird. Diese Bedingungen sind beiden Projekten vielmehr sogar ziemlich gemeinsam.

Aber das Setting und damit auch der Zuschnitt der Programmarbeit ist jeweils speziell. An einer Volluniversität wie der Berliner Humboldt, die noch dazu über Forschungs- und Lehrschwerpunkte ausdrücklich in den Digital Humanities mit einem eigenen Netzwerk verfügt, ist auch eine akzentuiertere Ausrichtung auf das Computationale sinnvoll, möglich und gewünscht. Die Promovierenden, die den Raum im dritten Stock des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums besuchen, kommen mit einer konkreten Forschungsfrage. Zumindest ist das der Plan. Sie verlangen entsprechend nach einer konkret anwendbaren Werkzeugkompetenz für ihr Forschungsfeld.

Während der Digital Makerspace an der Klassik Stiftung Weimar also digitale Vermittlungs- und Interaktionsformen mit Sammlungen fokussiert, geht es in Berlin vor allem um den Einsatz, die partizipative Erschließung und die Vermittlung digitaler Forschungswerkzeuge und digitaler Methoden für die Geistes- und Kulturwissenschaften. Dort lässt sich dann auch leicht angesichts der Verschiebungen in der Forschungspraxis auch die Aussage treffen, dass der Unterschied zwischen digital und analog mittlerweile mittlerweile inexistent sei.

Dies trifft auf das Sammlungserleben in Weimar (noch?) nicht zu. Die Forschung mag post-digital, also unvermeidlich von digitalen Effekten geprägt sein. Die Objekterfahrung von Kulturerbe ist es wahrnehmbar nicht zwingend, wie jedem und jeder eine “teilnehmende Beobachtung” der Sammlungsbesuchenden in den Häusern der KSW leicht zeigt.

Überall dort, wo dieses Erfahren digital ist oder zumindest digitale Facetten von Objekterfahrung gegeben sind, eröffnen sich Perspektiven für eine digitale Auseinandersetzung mit Kulturerbe. Das fängt bei der "Instagrammisierung" der ausgestellten Objekte und vorgefundenen Räume an und geht bis in hermeneutische Arbeit im “Bergwerk” der überlieferten Texte der Weimarer Klassik.

Es finden sich also durchaus potentielle Überschneidungen mit dem ersten der drei Berliner Makerspace-Schwerpunkte, also die durch digitale Werkzeuge und Methoden geprägte Forschung, die selbstverständlich auch an den Klassik Stiftung Weimar stattfindet.

Deutlicher werden die Parallelen aber bei den beiden anderen Programmlinien:

  • “die Auswirkungen der Digitalität auf den Erkenntnisprozess untersuchen”

  • “die gesellschaftlichen Auswirkungen und Rahmenbedingungen reflektieren”.

Hier wie dort verschiebt Datafizierung von Materialien, ganz unabhängig ob für Forschung oder offenere Objekterfahrungen, was wir sehen und wie wir es sehen. Genau genommen verändert sich im Digitalen die Vorstellung dessen, was überhaupt ein Objekt ist.

Aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht stach besonders der Hinweis von Sophie Eckenstaler hervor, dass die Digital Humanities eine Reaktion auf eine Leerstelle, vielleicht sogar Unsicherheit und Überforderung mit der computationellen Produktion sowie Be- und Verarbeitung von geisteswissenschaftlich relevanten Gegenständen ist. Diese These würde man auch gern auf der nächsten DHd-Tagung diskutiert sehen.

Die jüngste Aufregung über DALL-E oder Chat-GPT, das mittlerweile aus dem ersten Verständniszyklus heraus als auf ein “glorified autocomplete” geerdet werden kann, unterstreicht die Herausforderung eines Verständnisprozesses nur noch zusätzlich.

Verstehen was passiert, warum es geschieht und wie. Das ist nicht nur Teil jeder digitalen Werkzeugkompetenz, sondern sogar Basiswissen für jegliche digitale Gegenwartskultur. “Von Digital Consumers zu Digital Citizens” gab die Referentin den Bildungsanspruch für die Angebote des Scholarly Makerspace aus. Wir werden ihn vermutlich auch in dieser Deutlichkeit für den Digital Makerspace übernehmen.

Das passt gut zur Grundfrage, was es eigentlich mit dem Making im Sinne eines “Machens” auf sich hat. Der Scholarly Makerspace definiert das Nutzen der digitalen Forschungswerkzeuge als das Making. In Verklammerung mit der Grundidee der Makerbewegung, nämlich dem “Teilen von Räumen, Ressourcen und Wissen innerhalb einer Gemeinschaft” und zwar mit Ressourcen, die “Einzelpersonen privat oft nicht zur Verfügung” stehen, strebt dies betont ergebnisoffen in Richtung einer “Selbstermächtigung mit dem Ziel der (Wieder)Aneignung der Produktionsmittel”. Die Nutzenden sollen im Raum sowohl die Kompetenzen als auch die Zugänge erhalten, die ihnen ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Ausprobieren und Produzieren ermöglicht. Dies erfolgt im Scholarly Makerspace aber definitionsgemäß vor allem im Kontext wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion.

Der Digital Makerspace in Weimar folgt diesem Ansatz und verstärkt ihn vor allem in den Punkten Offenheit und Community. Er hat dabei die zusätzliche Möglichkeit bzw. sogar Zielstellung, Teilhabe und Mitgestaltung noch breiter gesellschaftlich zu interpretieren. Ein Making im Digital Makerspace könnte einen anderen Punkt des Zugangs qua Kompetenz als “zentralen Faktor für eine offene und demokratische Gesellschaft” deutlich stärker betonen. Das Making bestünde so in einer aktiven, multimodalen und letztlich vielfältigen digitalen Auseinandersetzung mit den denkbar reichhaltigen Kulturspuren und -objekten, die Weimar zu bieten hat.

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