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Ein Ausstellungsbesuch in Leipzig: QUANTENSPRÜNGE – VON LEIBNIZ ZU QUBITS

Galerie im Neuen Augusteum

Was passiert, wenn eine Universität ihre eigene Kunstgalerie betreibt und eine andere Einrichtung derselben Universität ein Jubiläum begeht? Eine erfrischend fruchtbare Verbindung, wie die Universität Leipzig unlängst zeigte – in ihrer Ausstellung QUANTENSPRÜNGE – VON LEIBNIZ ZU QUBITS.

Große Institutionen, wie beispielsweise Universitäten, sammeln fortwährend über sich selbst, zumeist Papier, und betreiben eigene Archive. Dass dies zuweilen auch Sammlungen sind, die Kunstwerke, auch dreidimensionale Objekte beinhalten, ist schon seltener. Dass die Universität Leipzig diese auch ausstellt, in eigens dafür ausgestatteten und betriebenen Galerieräumen, ist noch seltener und mag überraschen.

Aus Sicht des sich entwickelnden Digital Makerspace an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Klassik Stiftung Weimar war es spannend diese Ausstellung zu besuchen, um zu sehen, wie sich das 60-jährige Bestehen eines digitalen Kerns akademischer Praxis, nämlich des Rechenzentrums der Universität Leipzig, in einer Ausstellung mit Begleitprogramm abbildet. Spannend daran ist insbesondere, wie sich das vor dem Hintergrund der Arbeit mit komplexen und „wilden“ Beständen darstellt, ob und wie es gelingen kann, über eine Selbstbetrachtung der Institution hinauszuweisen.

Es handelt sich um eine der wohl erfolgreichsten Ausstellungen, die hier je gezeigt worden sind, wie dem Autor vor Ort erzählt wurde. Zumeist wird in der Galerie Kunst und nicht Geschichte oder Technik ausgestellt. Die Besucherzahlen seien fünfstellig. Wie mag sich dieser Erfolg begründen? Doch kaum daran, dass sich die Existenz einer Universitätseinrichtung wie dem Rechenzentrum, die zumeist als interner Dienstleister wahrgenommen werden dürfte, halbrund jährt und man das nun mit Objekten und Texten wiedergibt?

Den Kuratoren gelingt es  in der Ausstellung selbst sowie im Veranstaltungsprogramm  eine so knappe wie interessante Geschichte der Computerisierung in Leipzig, an der Universität, aber auch der DDR allgemein abzubilden. Das macht sie für Menschen weit über die Universität selbst hinaus anziehend. Nicht nur Mitarbeitende, Studierende und vielleicht Alumni der Mathematik und Informatik fühlen sich angesprochen, sondern viele Leipzigerinnen und Leipziger, die mindestens technikaffin sind, sich aber breit für Zeitgeschichte als Regionalhistorie begeistern können oder an Erinnerungen an die DDR interessiert sind und sich auch damit hier thematisch wiederfinden.

Es ist eine Erfolgsgeschichte, die die Ausstellung bis in die Gegenwart schreibt. Sie zeugt von Pioniergeist und Selbstbewusstsein der Akteure. Das mag auch so manche Leipziger trösten, denen der Blick in die jüngste Geschichte unter dem Primat der Aufarbeitung von Diktatur persönlich zu wenig anknüpfungsfähig erscheint, die ihre Erfahrungen und Erinnerungen zu wenig berücksichtigt. Dabei sind die Objekte vermutlich nicht nur „wild“ gesammelt, sondern finden sich auch so in der Ausstellung wieder – Technikartefakte wie Computer, Gemälde und Modelle, aber auch Dokumente und Fotos sowie Bedienungsanleitungen und Zeitschriftenartikel liegen so nebeneinander, wie man es von einer Geschichte gewordenen Werkstatt der IT erwarten würde.

Das Begleitprogramm knüpft hier vortrefflich an. Der Autor besuchte den Vortrag des aus Leipzig stammenden Autors und Computerkulturexperten René Meyer, der mit vielen Beispielen und Objekten eine DDR-Geschichte der elektronischen Popkultur präsentierte.  Diese widmete sich, neben Bezügen zur Musik und des Lernens an und mit Computern, vor allem dem Thema Computerspiele. Passend dazu wurden die entsprechende Hard- und Software aufgebaut, angefangen vom BSS01, der einzigen Spielekonsole der DDR, bis hin zum KC 85 und anderen Rechnern, die nun aktiv gespielt, ausprobiert und programmiert werden konnten. Für die einen war es Nostalgie, für andere technisch-aktive Erinnerungs- und Geschichtsarbeit, für ganz andere schlicht Neuland – die Veranstaltung besuchten mindesten drei Generationen Interessierter aus aller Welt, die sich im Tun (Doing → Making) austauschten, voneinander lernten und schlicht gemeinsam Spaß hatten. Ein Erfolg, der uns inspiriert.

von Tim Köhler

Informationen und Eindrücke:
https://magazin.uni-leipzig.de/universum/universum/artikel/das-gibt-es-in-der-ausstellung-quantenspruenge-zu-sehen-2022-11-09
https://www.uni-leipzig.de/veranstaltungsdetail/artikel/quantenspruenge-von-leibniz-zu-qubits-2022-10-19

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